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vom 15.02.2012

Editorial der Zeitschrift IGZ Die Alternative

 

Aus gegebenem Anlass an dieser Stelle das Editorial zum Thema „Prämienmodell Zahnmedizin“ aus der letzten Ausgabe unserer IGZ-Zeitschrift „IGZ Die Alternative“:


Liebe Leserinnen und Leser,

es scheint eine gewisse Müdigkeit zu geben, über große Entwürfe für das deutsche Gesundheitssystem zu reden. Das betrifft auch die Diskussion um das Prämienmodell Zahmedizin - ein Vorschlag des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte, der die Herausnahme der Zahnmedizin aus der heutigen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherungen vorsieht und alternativ die zahnärztlichen Leistungen aus einkommensunabhängigen Prämien finanzieren will. Ein Konzept, das den großen Wurf will und keine kleinen Schritte. Und das mit guten Gründen:
Wir stehen vor dramatischen demografischen Problemen - das streitet heute niemand ernsthaft ab. Auf Grund der zunehmenden Zahl älterer Menschen werden die Aufwendungen für Rente und Gesundheit explodieren. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Beitragszahler. In der gesetzlichen Rentenversicherung bedeuten weniger Beitragszahler weniger Beitrag und damit weniger Rente für die Rentner. Die langfristige Absenkung der gesetzlichen Rente ist inzwischen beschlossen und die entstandene Rentenlücke muss eigenverantwortlich mit privater Altersvorsorge ausgeglichen werden. Im Bereich der Krankenversicherung sieht es anders aus. Hier wird der voraussehbar stärkere Bedarf - der Kieler Gesundheitsökonom Fritz Beske geht von einer Verdreifachung der Gesundheitsausgaben bis zum Jahre 2060 aus - von der Politik noch ignoriert. Und das, obwohl mehr oder minder allen Beteiligten klar ist, dass bei gleichbleibenden äußeren Parametern die Leistungen der GKVen eingeschränkt werden müssen, weil sie aus dem begrenzten Beitragsaufkommen nicht mehr finanzierbar sind.

Politik lebt von Zuspitzungen. Wer etwas verändern will, kontrastiert die Sachzwänge, um gehört zu werden. Wer sich durch Prognosen bedroht fühlt, wird die Probleme kleinreden, solange es möglich ist. So überrascht uns das wissenschaftliche Institut der AOK, WIdO, im aktuellen Versorgungs-Report 2012 „Gesundheit im Alter“ mit Berechnungen, nach denen die Gesundheitsausgaben auf Grund des wachsenden Anteils älterer Menschen bis 2050 nur um 19% steigen sollen. Wiewohl man sich bei so viel Optimismus ungläubig die Augen reibt, zeigt doch die AOK-Veröffentlichung, dass die Zukunft nun begonnen hat und die Diskussion langsam in Gang kommt.
Wie soll sich der Berufsstand nun in diese Diskussion einbringen? Wolfgang Eßer fragt in seinem Beitrag völlig zu Recht, warum ausgerechnet die Zahnärzteschaft voranstürmen soll, um die Probleme der GKV zu lösen. Dennoch kochen beim Thema Prämienmodell Zahnmedizin die Emotionen hoch, aber selbst viele von denen, die prinzipiell hinter dem Vorschlag stehen, mögen ihn nicht auf die politische Tagesordnung setzen. Zu groß ist die Befürchtung, unkalkulierbare Risiken heraufzubeschwören. Zu frisch noch die Erinnerung an den Scherbenhaufen, den die standespolitische Fundamentalopposition hinterlassen hat. Und nicht zuletzt: Zu deutlich dürfte sein, dass der Vorschlag des FVDZ selbst unter der schwarz-gelben Koalition aktuell kaum eine Chance hat.

Warum diskutieren wir also dennoch über das Prämienmodell Zahnmedizin? Die Antwort lautet: Weil das Konzept - abseits aller Inhalte, aller realistischen und unrealistischen Gestaltungsvorschläge - auch einen kulturellen Konflikt artikuliert. Es geht um das tiefe Unbehagen eines Angehörigen der Freien Berufe inmitten eines politischen Klimas von Vollversorgungsmentalität, Anspruchsdenken und Flatratemedizin. Die hartnäckige Forderung der Zahnärzteschaft, die Budgetflatrate zugunsten einer am tatsächlichen Leistungsgeschehen orientierten Entlohnung zurückzuschrauben, war nicht nur der legitime Einsatz für die eigenen Interessen, sondern vor allem auch ein Ausdruck der Empörung über die Verkehrung von Werten. Es war schlicht ein Skandal, das Morbiditätsrisiko von den Schultern der Krankenkassen zu nehmen und den Zahnärzten aufzubürden - eine Entscheidung, die nun zumindest teilweise korrigiert wurde.

Was bleibt, ist ein tiefsitzendes Misstrauen der Kolleginnen und Kollegen gegenüber der Politik, das immer wieder neue Nahrung bekommt - wie im Fall der enttäuschenden GOZ-Novellierung. Teilhabe muss ernst gemeint sein und auf Augenhöhe stattfinden - erst dann kann die Politik von den Ressourcen ihrer Partner wirklich profitieren. Die Zahnärzteschaft hätte hier die klassischen Tugenden der Freiberuflichkeit einzubringen, ein liberaler Wertekanon, der - in die Politik übertragen - einst den wirtschaftlichen Aufstieg Deutschlands angestoßen hat. Am Anfang stand der Leistungswille und nicht das Anspruchsdenken. Daran zu erinnern, dürfte heute nicht weniger produktiv als vor 150 Jahren sein.

Benn Roolf, Berlin
Redakteur „IGZ Die Alternative“


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